500.000€ Defizit für Freie Kulturszene in Jena
Positionspapier der freien Szene Jena zum Verhandlungsstand für die
Zuschussvereinbarung Stadt – JenaKultur zum Kulturbudget 2025-2028
Beitrag JenaTV
Beitrag Ostthüringer Zeitung
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Wir Akteur:innen der freie Szene haben ein Schreiben an die Verantwortlichen der Stadt Jena, JenaKultur sowie den Stadtrat, geschickt, in dem wir eine gesicherte Finanzierung der freien Kulturszene für die Jahre 2025 bis 2028 fordern. Anlass sind laufende Zuschussverhandlungen, die bisher intransparent und ohne ausreichende Einbindung der Betroffenen verlaufen sind.
Ein erheblicher finanzieller Mehrbedarf von über 500.000 Euro pro Jahr wurde von den Initiativen der freien Szene auf Nachfrage JenaKulturs Anfang 2024 angemeldet, jedoch wird aktuell nur noch über Mittel in Höhe von 200.000 Euro verhandelt. Wir kritisieren, dass die Verhandlungen intransparent verlaufen sind und es zwischenzeitlich kaum Einbindung der Betroffenen gab. Wir fordern eine transparentere Kommunikation und langfristige Planungssicherheiten für die Kulturszene.
Wir schaffen kulturelle Vielfalt, beleben Orte, fördern Bildung und tragen zur demokratischen Stadtgesellschaft bei. Wir sorgen mit für den Sound einer lebendigen Stadt, mit der sich Jena oft rühmt. Unsere Initiativen bieten Raum für Kreativität und sind integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses, auch im Kampf gegen den Rechtsruck. Wir fordern eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit, um die kulturelle Landschaft Jenas nachhaltig zu sichern. Dieses Engagement und diese Arbeit werden zum großen Teil mit prekären Arbeitsverhältnissen und einem hohen Maß an ehrenamtlichem Engagement aufrechterhalten. Viele unserer Mitarbeiter:innen sind hochqualifiziert und arbeiten oft weit über das hinaus, was ihre befristeten und niedrig entlohnten Teilzeitstellen abdecken. Trotz dieser Widrigkeiten erbringen die Kulturschaffenden eine beeindruckende Menge an kulturellen Leistungen, die in ihrer Effizienz mit den Bedingungen öffentlicher Träger kaum zu vergleichen sind. Es wird betont, dass für eine nachhaltige Sicherung der Kulturlandschaft stabile Personalstrukturen nötig sind. Dazu gehören die Angleichung der Gehälter an Tarifbedingungen, die Möglichkeit zur langfristigen Planung und die Aufstockung von Stellen. Hinzu kommen die Belastungen und die strukturellen Schwierigkeiten in Jenas freier Kulturszene infolge der COVID-19-Pandemie und sich verkomplizierender Wirtschaftslagen. Dies führte zu einem Rückgang von ehrenamtlichem Engagement und Gästezahlen, während die verbliebenen Akteur:innen – Mitarbeitende, Vorstände und Freiwillige – sich am Rand ihrer Belastbarkeit befinden und zunehmend von akuter Überforderung bis hin zu Burnout betroffen sind. Ohne zusätzliche Unterstützung droht ein Abbruch der kulturellen Aktivitäten, was langfristig den Verlust von erfahrenem Personal und etablierten Netzwerken bedeutet, was durch die dadurch entstehende Verknappung kultureller Angebote im Ergebnis zu einer Schmälerung der Attraktivität des öffentlichen Lebens in Jena führen wird.
Es ist dringend notwendig, die Finanzierung und personellen Ressourcen entsprechend anzupassen, um die kulturelle Vielfalt und Dynamik in Jena zu erhalten. Erst eine Stärkung der Institutionen ermöglicht die Schaffung von Neuem. Die kulturellen Räume, die in Jena geschaffen wurden, verursachen hohe Kosten. Energiekrisen und Inflation haben die Betriebskosten weiter erhöht, und zusätzliche Flächen sind oft nur durch
erweiterte Mietverträge und Umzüge möglich. Der Verlust von Kulturflächen in der Vergangenheit zeigt die Notwendigkeit einer langfristigen Finanzierung, um bestehende kulturelle Infrastrukturen zu erhalten und zu fördern. Zudem sind wir auf Förderungen durch Land und Bund angewiesen, wobei viele Programme städtische Beteiligungen und Eigenmittel voraussetzen. Aber auch Kürzungen in Fördermitteln auf Bundesebene selbst und unklare Prioritäten auf Landesebene verschärfen die Unsicherheit. Zudem belasten Anfang des Jahres 2024 noch nicht abgefragte Bedarfe in den kommenden Jahren sowie mögliche Kosten aus der Umwandlung von Honorarverträgen in Festanstellungen die finanzielle Lage.
Die bereits angemeldeten Mehrbedarfe von über 500.000 Euro jährlich gelten als Mindestbetrag für Gehaltsanpassungen, Personalaufstockungen und gestiegene Mietkosten. Zum Vergleich: Erfurt fördert kulturelle Vereine mit etwa 1,22 Millionen Euro jährlich (5,72 Euro pro Einwohner), Leipzig sogar mit 11,5 Millionen Euro (17,07 Euro pro Einwohner). Eine Erhöhung der Fördermittel – dann 1,25 Millionen Euro / Jahr – würde Jena auf ein ähnliches Niveau wie Erfurt bringen und bei der Fördermittelquote zwischen diesen Städten einordnen.
Die freie Szene verlangt daher mehr als nur symbolische Anerkennung und Lob von der Politik. Sie fordert verbindliche Unterstützung und finanzielle Stabilität, um ihre Strukturen nachhaltig zu sichern und die kulturelle Vielfalt in Jena zu erhalten:
- In den Verhandlungen zu dem Kulturbudget 2025-28 muss wieder von der angemeldeten Summe von mind. 500.000,- € / Jährlich Mehrbedarf (insgesamt 1.250.000,- € / jährlich) ausgegangen werden. Grundlage der Verhandlungen müssen wieder die realistischen, Anfang 2024 angemeldeten Bedarfe sein.
- Ein möglicher Weg dahin wäre ggf. die Einführung eines zusätzlichen Fonds zur Abmilderung der Pandemiefolgen. In den Zuschussvereinbarungen 2017-2020 und 2021-2024 gab es einen Innovationsfond, der allerdings seit der Pandemiezeit nicht mehr aufgerufen wurde. Heute benötigen wir dagegen einen Stabilisierungsfonds im institutionellen Bereich, der insbesondere für Gehaltsangleichungen, Mietkosten und Stellenaufstockungen mit herangezogen werden kann. Erst eine institutionelle Stabilisierung ermöglicht wieder die Verwirklichung neuer Ideen.
- Wir benötigen Planungssicherheiten. Da die Zuschussvereinbarung über vier Jahre angelegt ist, wäre im konkreten Fall zu überlegen, dass auch institutionell geförderte Einrichtungen über diesen Zeitraum Planungssicherheit bekommen (längere Förderungszeiten).
- Der Planungsprozess für die Zuschussvereinbarung muss zukünftig transparenter erfolgen. Die Betroffenen sind frühzeitig einzubinden und über Zwischenstände zu informieren. JenaKultur hat sich um die freie Szene genauso intensiv zu kümmern wie um ihre eigenen Einrichtungen. Der Kulturdezernent ist entsprechend einzubinden. Wir erwarten von ihm Fürsprache für die Anliegen der freien Szene, sowie substantielle Unterstützung.
- Wir wollen bei der Vergabe der Zuschüsse ein ebenso transparentes Verfahren. Ein „Basar“ sollte ebenso nicht stattfinden, wie Pauschalen, sondern die Orientierung an Bedarf und Angebot der Einrichtung. Die Rolle des Beirates Soziokultur im Vorfeld der Vergabe ist zu stärken.
- Wir brauchen Flexibilität bei Veränderungen der Vereine innerhalb des Zuschussperiode bzw. Unterjährig. Nicht jede Entwicklung und jedes Vorhaben lässt sich ein oder vierjährig vorausplanen.
- Beantragung und Abrechnung muss vereinfacht werden, insbesondere für kleinere Beträge bis 10.000,- €. Ansonsten wird zu viel Arbeitskraft gebunden, die den Vereinen an anderer Stelle fehlt bzw. sie im Ehrenamt nicht leisten können. Eine Vereinfachung der Zuschussrichtlinie wird somit angemahnt.
Die Kulturszene betont, dass sie kein Bittsteller ist, sondern ein essentieller Bestandteil des kulturellen und sozialen Lebens in Jena, der angemessene Unterstützung verdient.
Jena, den 4.11.2024
Unterzeichnende:
Cosmic Dawn e.V.
Freie Bühne Jena e.V.
Förderverein des Knabenchores der Jenaer Philharmonie e.V.
IG Soziokultur
Ins Netz e.V. (TRAFO)
Jazz im Paradies e.V.
Jenaer Kunstverein e.V.
Jenaer Tanzhaus e.V.
Kassablanca e.V.
Kinder- und Jugendzirkus „Circus MoMoLo“ e.V.
Kulturschlachthof Jena e.V.
Künstler für Andere e.V. (Thüringer Archiv für Zeitgeschichte “Matthias Domaschk”)
Künstlerische Abendschule Jena e.V.
LAG Soziokultur Thüringen e.V.
Psycho-Chor der FSU Jena e.V.
RADIO OKJ e.V.
Tanztheater Jena e.V.
Wagner e.V. (MVZ)
DJ Smoking Joe (Andreas Köhler)
cellu l’art-Festival Jena e.V.
Rückfragen an: kulturimdialog@gmail.com